Samstag, 15. November 2014

Honest Game Review #02 - Gothic 2: Die Nacht des Raben

Die Rückkehr in alte Zeiten

Viele kennen es, viele lieben es. Das 2002 erschienene "Gothic 2" und die dazugehörige Erweiterung "Die Nacht des Raben" gelten als eines der besten Rollenspiele aller Zeiten und Meisterwerk der deutschen Spieleschmiede Piranha Bytes. Doch wird es seinem Ruf gerecht oder ist es nur eine verstaubte Antiquität? Hier findet ihr es heraus.
Diese Review umfasst sowohl das Hauptspiel als auch das Add-On, da für mich persönlich das eine nicht mehr vom anderen wegzudenken ist.

GRAFIK

Heutzutage würde Gothic 2 sicher keinen Preis mehr für seine Grafik gewinnen. Die Modelle, gerade die der Charaktere, wirken sehr eckig und auch den Texturen merkt man die zwölf vergangenen Jahre an. Doch für damalige Verhältnisse war die Grafik äußerst gut, nur wenige Spiele, insbesondere Rollenspiele, hatten eine vergleichbare oder bessere Grafik, darunter "TES III - Morrowind". Dennoch ist auch heute die Grafik des Spiels ansehnlich genug, dass man es gerne spielt, wenn man nicht gerade ein Spiel nur wegen seines tollen Aussehens spielt.
Ich persönliche gehöre nicht zu dieser Kategorie, auch wenn ich durchaus auf eine vernünftige Grafik Wert lege. Und dieses Kriterium erfüllt Gothic 2 auch heute noch. Und da ich es unfair finde, ein älteres Spiel mit heutigen Grafikstandards zu messen, vergebe ich für diesen Teilaspekt eine solide 7/10.

LEVEL DESIGN

Gothic 2 war damals eines der wenigen Spiele, die auf eine Art Semi Open World System setzten. Die Welt ist zwar grob in vier Abschnitte unterteilt, die jeweils auch erst im Laufe der Story freigeschaltet werde, diese sind jedoch anschließend völlig frei begehbar. Die zwei Quadratkilometer große Spielwelt (nicht sicher, ob das schon das neue Gebiet aus "Die Nacht des Raben" mit einschließt) scheint im Vergleich mit dem im selben Jahr erschienen TES III, mit seiner 25 Quadratkilometern großen Welt, auf den ersten Blick etwas klein zu sein. Das fällt jedoch nicht auf, denn die ganze Welt wurde regelrecht mit Inhalten gespickt. Die Innenräume wurden sinnvoll mit Möbeln ausgestattet, die Wälder mit umgefallen Bäumen und Büschen. Nirgendwo hat man das Gefühl, dass Spielwelt zu leer ist, es sei denn an Stellen an denen es von Entwicklern so gewollt ist. Gerade die bewohnten Gebiete, wie die große Stadt Khorinis, wurden so gestaltet, dass sie auch so wirken wie sie es sollen: Lebendig. Jeder einzelne NPC, ob für Quests relevant oder nicht, wurde mit sinnvollen und passenden Tagesabläufen ausgestattet, etwas das in modernen Rollenspielen häufig vernachlässigt wird. Dadurch sticht die Spielwelt von Gothic 2 sehr positiv heraus. Neben der offensichtlichen Gestaltung, gibt es auch an jeder Ecke etwas zu entdecken und/ode rzu sammeln. Viele dieser Gegenstände oder Orte, sind mehr oder weniger gut versteckt. Dadurch kommen sowohl Entdecker als auch Sammler voll und ganz auf ihre Kosten. Und sobald man an dem Punkt ist, an dem man das Gefühl hat bereits die ganze Insel zu können, führt das Spiel Anfang des dritten Kapitels Teleportsteine ein, mit denen man die Laufwege deutlich abkürzen kann.
Vom Level Design dieses Spiels können sich auch viele moderne Spiele ruhig eine Scheibe abschneiden. Die Gestaltung ist meiner Meinung nach einfach umwerfend und lässt einen jede Minute auf der Insel Kohrinis einfach genießen. Daher vergebe ich für diese Meisterleistung eine 10/10.

Einen Punkt, der nicht vollständig in diese oder eine andere Kategorie passt, den ich aber trotzdem erwähnen möchte, ist die äußerst stimmige Musikuntermalung, die sämtliche Situationen, egal ob Kampf oder Erkundung, stets passend unterstreicht. Und das kommt der Atmosphäre enorm zugute.

GAMEPLAY

Am Gameplay von Gothic 2 scheiden sich die Geister. Die Kameraführung war alles in allem sehr solide, wenn auch manchmal etwas träge und das Kampfsystem war zum damaligen Zeitpunkt schon fast revolutionär. Kein anderes Spiel hatte vergleichbare aktive Kämpfe in Echtzeit. Auch heute noch ist es sehr dynamisch und muss sich hinter heutigen Kampfsystemen in keinem Fall verstecken. Jedenfalls solange man gegen einen einzelnen Gegner kämpft. Denn dadurch, dass immer nur ein Gegner fokussiert wird und alle Kampfaktionen, wie Blocken oder Schlagen, auf diesen Gegner beschränkt sind, wird der Kampf zu einer Qual. Man wird förmlich gezwungen Gegner vorsichtig einzeln rauszulocken. Fernkampfwaffen zu benutzen wird durch dieses System ziemlich unnötig, denn die Trefferchance gegen die automatisch anvisierten Gegner ist auch mit vielen Punkten in die nötige Fähigkeit und hoher Geschicklichkeit ziemlich niedrig. Das Magiesystem ist jedoch dafür hervorragend umgesetzt. Nicht-Magier haben zu allen Zaubern durch Schriftrollen Zugang, die man jedoch nur einmal benutzen kann, während die permanenten Runen nur Magiern zugänglich sind. Die verwendeten Effekte sind schön anzusehen und auch das Balancing wurde bedacht, da die meisten der mächtigen Zauber eine Zauberanimation haben, die eine gewisse Zeit dauert. Dadurch kann man viele nur auf eine gewisse Distanz einsetzen, da Gegner diese abbrechen können. Zur Verbesserung der Charaktere setzt Gothic 2 auf ein Erfahrungs- und Lernpunktesystem. Wenn man genügend EP gesammelt hat, steigt man eine Stufe auf und erhält zehn Lernpunkte, die man bei Lehrern in Fähigkeiten wie Schwertkampf oder Attribute wie Stärke und Mana stecken kann. Es ist äußerst stimmig und gut umgesetzt und sorgt dafür, dass man ab und an auch in die bewohnten Orte zurückkehren muss (und meist mit neuen Aufgaben wieder geht). Leider wurden mit dem Add-On die Attributanforderungen (und der Schaden) der zahlreichen, gut gestalteten Waffen nach oben geschraubt, um das Spiel auf Wunsch der Community schwerer zu gestalten. Dadurch wird aber auch der Einstieg am Anfang des Spiels deutlich erschwert, was Neulinge ins kalte Wasser wirft. Ein anpassbarer Schwierigkeitsgrad wäre da sicher die schönere Lösung gewesen. Dieser Kritikpunkt wird aber schnell durch die auffindbaren Steintafeln gelöst, die, sobald du die nötige Fähigkeit hat um sie zu lesen, Attribute und Fähigkeiten permanent erhöhen. Dazu kommt die Stärke der Alchemie, durch die man aufgrund der unzähligen verteilten Pflanzen schnell starke Heiltränke und Tränke, die Attribute permanent erhöhen, herstellen kann. Ein guter Aspekt ist andererseits, dass diese Tränke aufgrund der Trinkanimation nicht mitten im Kampf eingesetzt werden können.
Die Gegner sind sehr interessant und fordernd gestaltet. Die menschlichen Gegner, wie Banditen oder Schläge, schöpfen aus dem selben Skilltopf wie der Spieler (und beherrschen es gerade am Anfang deutlich besser), während die Monster individuelle Angriffsmuster haben, die auch nicht abgewehrt werden können (ausweichen kann man vielen). Dieses Muster zu lernen ist der Schlüssel zum Sieg, gerade bei den stärkeren Kreaturen, die auch häufig als natürliche Gebietsbegrenzung fungieren, da man sie oft erst auf höheren Stufen besiegen kann (oder auch nur eine Chance darauf hat). Es sei denn man ist auf einer Quest mit Begleiter, die häufig durch große Gebiete des Spiels führen. Nicht nur sind diese sehr stark und häufig unsterblich, sie geben dem Spieler auch die vollen Erfahrungspunkte für von ihnen besiegte Gegner, sodass sie eine einfache und gefahrlose Methode darstellen sein Level zu erhöhen, ohne einen einzigen Finger zu rühren. Ein weiterer, für mich nicht unbedeutender Kritikpunkt ist, dass die Drachen und der Endboss sehr schwach sind ([SPOILER] Der Endgegner ist ein untoter Drache. Im Spiel gibt es einen Zauber namens "Untote vernichten", der Untoten 9999 Schaden zufügt. Ich dachte der funktioniert auf den Drachen nicht... hat er aber. Einfachster Endkampf überhaupt). Als die Hauptfeinde in diesem Spiel sollten sie eigentlich doch eine gewisse Herausforderung sein.
Die drei Fraktionen/Klassen des Spiels sind eigentlich relativ ausgeglichen, obwohl der Magier im späteren Spielverlauf doch deklassiert, durch nützliche Magie wie Eisblock (die den Gegner einfriert). Man darf aber nicht vergessen, dass diese auch den anderen Klassen durch Schriftrollen in begrenztem Maß zu Verfügung steht. Ich persönlich habe auch einen relevanteren Unterschied zwischen den beiden Kämpfer Klassen Paladin und Drachenjäger vermisst. Sie sind sich sehr ähnlich, sowohl was Stärke ihrer Rüstung als auch der Waffen angeht, wobei der Paladin noch einige (schwache) Runen lernen kann. Trotzdem spielen die beiden sich für meinen Geschmack zu ähnlich.
Alles in allem ist das Gameplay von Gothic 2, trotz einiger Makel, doch sehr angenehm und dynamisch, gerade das Kampfsystem ist auch heute noch sehr gut. Alles in allem vergebe ich für diesen Teilbereich eine 7/10.

STORY

Der für mich wichtigste Punkt bei einem Spiel, insbesondere wenn es ein Rollenspiel ist. Worum geht es denn überhaupt in Gothic 2? Nach der Zerstörung der magischen Barriere (Gothic I) wird der Protagonist von seinem Mentor Xardas gerettet, nachdem er 2 Wochen unter Steinen begraben war. Dieser erzählt dem Helden, dass sich eine Armee unter der Führung von Drachen sammelt um das Land zu zerstören/unterwerfen. Um das zu verhindern und die Viecher zu töten, brauchen wir ein göttliches Amulett, das sich im Besitz der Paladine befindet. Wir müssen also nach Kohrinis und es in unseren Besitz bringen.
In "Die Nacht des Raben" wird die Insel von mysteriösen Erdbeben heimgesucht und Bewohner der Stadt Khorinis scheinen sich einfach in Luft aufzulösen. Die Wassermagier und ihre Verbündeten untersuchen diese Vorfälle und Xardas scheint es für wichtig zu halten ihnen dabei unter die Arme zu greifen.

Die Hauptgeschichte ist spannend und entfaltet ihre epischen Ausmaße im Laufe von sechs Akten. Die Handlung hält einige interessante Wendungen bereit. Mit einer Spielzeit von 33 Stunden (samt einem Großteil der Nebenquests und "Die Nacht des Raben") ist von der Länge her auf Augenhöhe mit Epen wie "Dragon Age Origins" und "Dragon Age 2". Eine besondere Eigenschaft an "Gothic 2 - Die Nacht des Raben" ist die Perfektion, mit der der Content der Erweiterung in das Hauptspiel integriert ist. Alte, kleinere Nebenquests des Hauptspiels wurden ausgebaut und die Geschichte der Erweiterung integriert, zusätzlich zu völlig neuen Handlungssträngen. Man hat nicht das Gefühl als stamme irgendetwas davon aus einer Erweiterung, es geht dermaßen nahtlos ineinander über, dass mir ein Neuling vermutlich nicht sagen könnte wo das Hauptspiel aufhört und die Erweiterung beginnt. Es ist so als wäre sie schon von Anfang an Teil des Spiels gewesen. Eine Meisterleistung, die ich bisher bei keinem anderen Spiel erlebt habe.
Die Hauptgeschichten werden noch durch zahlreiche Nebenquests erweitert, die jeweils trotz Ähnlichkeiten stets individuell wirken (was vermutlich an den Charakteren liegt, die sie einem geben). Viel Aufgaben laufen den Divisen "Töte dies" oder "Bring mir das" ab. Dies wird aber so gut in Szene gesetzt, dass es mir persönlich nur selten überhaupt aufgefallen ist und wenn, dann hat es mich eigentlich nicht gestört. Ein winziger Knackpunkt ist, dass man gerade am Anfang regelrecht mit Quests überschüttet wird, sodass ich persönlich oft mit der Frage überfordert war, was ich denn zuerst angehen soll. Das kann man sowohl positiv als auch negativ auffassen, mir persönlich war es stellenweise einfach zuviel.
Die NPCs mit Namen haben so gut wie immer eine individuelle und interessante Persönlichkeit, der dem Spieler durch hervorragend geschriebene Dialoge nahe gebracht wird. Schön ist auch, dass man viele Charaktere aus dem ersten Teil wieder trifft. Das ist immer eine schönes Gimmick in einer Spielereihe.
Aber auch die nicht namentlichen NPCs sind keineswegs nur Statisten. Sie bereichern mit ihren Tagesabläufen nicht nur die Spielwelt, man kann den meisten von ihnen auch allgemeine Fragen stellen, die das Hintergrundwissen erweitern oder einem bei der Orientierung helfen. Sie erfüllen also, im Gegensatz zu den meisten anderen Rollenspiele, eine nützliche Funktion abseits der Atmosphäre.
Es gibt ingesamt drei Fraktionen, denen man sich im Laufe der Geschichte anschließen kann und auch muss: Die Truppen des Königs, die Söldner und die Magier des Feuers. Zusätzlich wird man Mitglied in einem Geheimbund. Hier kommen wir zur größten Schwachpunkt der Story von Gothic 2: Die Fraktionswahl hat keinen nennenswerten Einfluss auf den Verlauf der Geschichte. Man hat lediglich Zugriff auf einige Nebenquests, die man sonst nicht bekommen hat oder hat andere Dialogoptionen zu Verfügung. Ich hätte mir etwas mir etwas gravierendere Folgen für den Verlauf der Hauptgeschichte gewünscht.
Jedoch ist die Story von Gothic 2 alles in allem einer der wichtigsten Faktoren, die dieses Spiel zu einem Erlebnis machen. Die Kombination aus epischer Geschichte, einzigartigen Charakteren, sowie exzellent geschriebenen und vertonten Dialogen, machen Gothic 2 von der Story Seite zu einem der besten Spiele, die ich je gespielt habe. Daher klare 10/10.


FAZIT

Wenn mich jemand fragen würde, welches Rollenspiel er unbedingt in seinem Leben gespielt haben müsse, meine Antwort wäre Gothic 2 - Die Nacht der Raben. Die grandiose Geschichte, die in einer exzellent gestalteten Spielwelt stattfindet, in der es an jeder Ecke etwas zu entdecken gibt, lässt einen für Stunden einfach nicht mehr los. Gerade wenn man es zum ersten Mal spielt. Klar, sowohl dem Gameplay, mit seinen Macken, als auch der Grafik merkt man ihr Alter deutlich an. Das sind aber nur kleinere Probleme, die von den Qualitäten des Spiels mehr als wett gemacht werden.
Daher erhält Gothic 2 - Die Nacht des Raben von mir als finale Wertung

9/10 

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